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Demokratie fordert echte Vielfalt: Medienpolitische Positionen des nichtkommerziellen Privatrundfunks 2024

03.09.2024

AUSGANGSLAGE
Damit die Mitglieder unserer Gesellschaft an der demokratischen Willensbildung teilnehmen können, braucht es eine gemeinsame Öffentlichkeit. Sie ist der Raum zur Bestimmung und Diskussion von Problemen, um gute Lösungen für unsere Gesellschaft zu finden. Demokratische Öffentlichkeit ist nicht marktfähig. Dieser Befund hat sich durch den digitalen Wandel und die undurchschaubare Manipulation auf Big Tech Plattformen noch verschärft. Wir erleben wie jene durch Social Media Konzerne etablierte Schnelligkeit, Oberflächlichkeit und Sensationalisierung in den Medien Einzug gehalten hat und dies zulasten von Mitarbeiter:innen, Recherche, Perspektiven und Debatten. Öffentlich gewordene Korruptionsfälle haben das Ansehen von Politik und die Glaubwürdigkeit von Medien schwer beschädigt und der undifferenzierten Diskreditierung Vorschub geleistet. Gleichzeitig ändert sich der Anspruch an Demokratie: immer mehr Menschen wollen mehr als Delegation durch Wahlen. Bereits 1/3 der Bevölkerung will aktive Beteiligung und Mitgestaltung.

Vor diesem Hintergrund verweisen wir auf die Bedeutung des Beitrags von Community Medien zur Medienvielfalt, weil sie Interessen, Forderungen und Bedürfnisse der gesamten Gesellschaft für die Öffentlichkeit sichtbar und bekannt machen, wie dies die UN-Sonderberichterstatterin, die Beauftragten der OSZE, der ACHPR und des Sonderberichterstatters der Interamerikanischen Menschenrechtskommission für freie Meinungsäußerung in ihrer gemeinsamen Erklärung zu Medienfreiheit und Demokratie 2023 betonen. Deshalb fordern sie auch die Staaten auf, die Arbeit von Minderheiten-, Lokal- und Community Medien zu stärken. Auch die Ministerkonferenz des Europarates hat in ihrer Erklärung vom 7. März 2018 erneut die Bedeutung von Community Medien als unverzichtbaren Teil der Medienversorgung bekräftigt. Mit der Aufnahme von Community Medien in das KommAustria Gesetz als gemeinnützige, nicht auf Gewinn gerichtete und werbefreie Medien, “die einen offenen Zugang der Allgemeinheit zur Gestaltung von Sendungen ihres Programms gewährleisten” hat die Republik Österreich diese Medienleistungen als dritte Säule des österreichischen Rundfunksystem verankert. Die finanzielle Förderung Freier Radios und Community TVs als nichtkommerzieller Privatrundfunk – neben öffentlich-rechtlichen und privat-kommerziellen Medien - ist Ausdruck dieser grundlegenden Anerkennung.

FACTS & FIGURES
• Der nichtkommerzielle Privatrundfunk mit seinen 14 Community Radio und 3 TV Sendern zeichnet sich durch breite Beteiligung der Bevölkerung und umfangreiche Informationen mit starkem Bezug zu den lokalen Sendegebieten aus. 2023 behandeln die 17 Sender mit 2798 Sendungsmacher:innen in 1.325 Sendereihen vielfältige Themen aus Kultur, Wissenschaft, Soziales und Politik. Bereichert wurden diese Sendungen durch die Expertisen und Perspektiven von 13.162 Interviewpartner:innen. 6.091.000 Haushalte können die Programme analog oder über Kabel empfangen. Die Sendungen sind außerdem auf der Radiothek der Freien Radios sowie auf cba.media, der größten gemeinnützigen Podcast-Plattform im deutschsprachigen Raum, zeit- und ortsunabhängig zu hören. Die Sendungen der Community TVs sind ebenso auf eigenen Mediatheken verfügbar.
• Community Sender beteiligen Menschen aus allen gesellschaftlichen Kontexten. Sie ermöglichen Diskurse und schaffen eine gemeinsame Öffentlichkeit auf Basis der Rundfunkgesetze, der Charta des Freien Rundfunks Österreich und im Interesse von Meinungs- und Informationsvielfalt.
• Nichtkommerzielle Privatsender sind gemeinnützige Erzeuger und Verstärker lokaler, regionaler und österreichweiter kultureller Produktion. So erleben österreichische Musiker:innen oft ihr erstes Airplay auf einem Freien Radio. Die Radio und TV Sender verwirklichen österreichische und europäische Identität zeitgemäß. Regelmäßige Auszeichnungen unterstreichen die Qualität der Produktionen. Der Sektor vereint die Stärken des urbanen und ländlichen Raumes in österreichweiten Programmkooperationen. Dieser Journalismus stärkt lokale Strukturen in Stadt und Land.
• In der Ausbildung von Sendungsmacher:innen, Schüler:innen, Jugendlichen, Lehrer:innen und weiteren Multiplikator:innen leistet der nichtkommerzielle Privatrundfunk österreichweit einen großen Beitrag zur Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz, die wir alle dringend benötigen. Allein 2023 haben 8.132 Kinder, Jugendliche und Erwachsene unsere Aus- und Weiterbildungsangebote absolviert.
• Der nichtkommerzielle Privatrundfunk deckt wesentliche Teile der Verpflichtungen der Republik zur medialen Versorgung der sechs autochthonen Volksgruppen aus dem Staatsvertrag von 1955 sowie der von Österreich ratifizierten und 2001 in Kraft getretenen Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen ab. Als einziger Rundfunksektor tragen die 17 österreichischen Community Sender der gelebten Sprachenvielfalt unserer Gesellschaft in ihren Programmen Rechnung.
• Der nichtkommerzielle Rundfunk gehört mit seiner bereits Anfang der 2000er Jahre entwickelten On Demand Plattform zu den Vorreitern in der Digitalisierung und arbeitet seither an der kontinuierlichen Aufrechterhaltung und Verbesserung seiner Angebote und Infrastruktur. Dazu gehört auch das Engagement in der kooperativen Entwicklung europäischer offener Plattformen, die – was Datenautonomie und Transparenz angeht - eine Alternative zu den Profit getriebenen US-Plattformen sind.

FORDERUNGEN
• Der nichtkommerzielle Privatrundfunk als eine der 3 Säulen demokratischer Rundfunk- und Medienöffentlichkeit in Österreich muss zur weiteren Erfüllung seiner gesetzlich verankerten Aufgaben eine kontinuierliche Verbesserung der Rahmenbedingungen erfahren. Dazu gehört eine verbesserte gesetzliche Abbildung des nichtkommerziellen Privatrundfunks als wesentlicher Teil von Public Service Media und gemeinnützigem Journalismus. Auch Fördererhöhungen und Valorisierungen des NKRF sowie weitere rundfunkrechtliche Änderungen, damit für lokalen, gemeinnützigen und partizipativen Rundfunk leistbare terrestrische wie digitale Verbreitungskanäle gewährleistet sind und News Desserts im ländlichen Raum verhindert werden, sind notwendig.
• Ein konkreter Vorschlag ist, den Digitalisierungsfonds, welcher der Digitalisierung von analogem Rundfunk und damit dem Aus- und Aufbau von DAB+ Verbreitungskapazitäten gewidmet ist, mit den – die ursprünglichen Erwartungen um ein Vielfaches übersteigenden - Einnahmen aus der Digitalsteuer abermals zu erhöhen und bei der Förderquote der Gemeinnützigkeit und Werbefreiheit Rechnung zu tragen.
• Überdies sollten die nach wie vor verbleibenden hohen Erträge aus der Digitalsteuer nicht einfach in das Budget überführt werden. Vor dem Hintergrund, dass Social Media Plattformen nicht nur Einnahmen aus dem Werbemarkt abziehen, sondern durch ihren sozialen, gesellschaftlichen und politischen Impact Information, Meinungsbildung und Demokratie als solche untergraben, sollen die Einnahmen aus der Digitalsteuer zur demokratiepolitischen Schadensminimierung verwendet werden. So könnten auch die lokal verankerten und unter Beteiligung der Bevölkerung produzierten Informationen und Programme des nicht-kommerziellen Rundfunks durch diese Einnahmen von Big Tech Firmen mitfinanziert werden.
• Da Konzerne wie Alphabet oder Meta sowie global agierende Streamingdienste durch ihre gewaltige finanzielle Power und Innovationsmacht weltweit die ganze Medienbranche unter enormen Druck setzen, fordern wir ergänzend eine Förderung für digitale Entwicklung und Erhaltung demokratiefreundlicher Open Source Technologie- und Infrastruktur ähnlich dem Sovereign Tech Fund in Deutschland, aber auch der Normierung von Investment Verpflichtungen dieser Konzerne. Wir fordern die Einrichtung eines Open Public Space Infrastruktur Entwicklungs- und Erhaltungsfonds in einem ersten Schritt in der Höhe von 10 Millionen Euro. Finanziert soll auch dieser Fonds aus zweckgewidmeten Mitteln der Digitalsteuer werden.
• Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde durch jahrzehntelange politische Einmischung, Kommerzialisierung und Beschränkung im digitalen Raum geschwächt. Wir brauchen radikale Reformen, um das alte Modell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in ein fortschrittliches System zu transformieren. Der ORF ist zentraler Bestandteil unserer Public Service Medien und muss sich durch flächendeckende Versorgung, politische Unabhängigkeit und demokratische öffentliche Kontrolle über Finanzierung, Leitung und Regulierung sowie Diversität im Programm auszeichnen.
• Wir fordern die verstärkte Verschränkung von Public-Service-Angeboten in einem öffentlich finanzierten, nichtkommerziellen und crossmedialen digitalen Angebot. Hier werden im öffentlich-rechtlichen Kernauftrag produzierte Inhalte sowie Public-Service-Inhalte gemeinnütziger und kommerzieller Medien bereitgestellt. So soll Information, Debatte und Teilhabe an einem virtuellen Ort verbunden und ins Blickfeld der Bevölkerung gerückt werden. Wir fordern Kooperation vor Konkurrenz.
• Wir fordern von der Regierung den überzeugenden Einsatz für Unabhängigkeit, Transparenz und Informationsvielfalt in den Medien und wir fordern den tatkräftigen Schutz von Journalist:innen.




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